U18-EM: Innenansichten aus Györ - Mittwoch

Der Empfang in Györ ist warm und herzlich. Meteorologisch gemeint. Der Himmel ist heiter gestimmt, und die Sonne gibt eine Galavorstellung. Am Thermometer sind 28 Grad abzulesen. Morgen beginnen die Leichtathletik-Europameisterschaften für die besten Jugendlichen des Kontinents.

Österreich ist mit einer 72-köpfigen Delegation vertreten. Das ist ÖLV-Rekord. Da sind die Eltern, Omas und andere Supporter, die noch nach Györ kommen werden, nicht mitgezählt.

50 Länder sind bei der U18-EM in Györ dabei. Sie sind mit ihren Flaggen im Sportpark abzuzählen. Nein, der Vatikanstaat hat niemanden nominiert. Der kleinste Staat Europas hat zwar eine Fußballauswahl, in der päpstliche Räte und Schweizergardisten mitspielen, aber einen Leichtathleten gibt es im Vatikan nicht. Ich bin aber sicher, der Heilige Vater hält seine Hand über diese Jugendspiele. Die Final Entries sind bereits veröffentlicht. Über 1.100 SportlerInnen sind angemeldet. Darunter sind auch russische. Sie starten unter dem Logo ANA (Authorised Neutral Athlete).

Bei der Teambesprechung zeigt sich die Buntheit unseres Betreuerstabes. Es sind Trainer mit Olympia-Erfahrung genauso dabei wie solche, die erstmals bei einem Big event coachen werden. Die im heurigen Winter noch schnellste Sprinterin Österreichs und Österreichs Rekordhalterin im Speerwurf sind auch dabei. Nur so als Heimhörerfrage, denn Einzelnennungen sind nicht geplant. Die Teamleitung muss ich trotzdem nennen. Olivia Raffelsberger und Helmut Baudis kümmern sich professionell um die Organisation. Sie liefern bei den Besprechungen keinen Dreigroschen-Text ab, sondern ganz präzise Informationen. Die  Kohäsion der Gruppe ist ihnen wichtig.

Unser Athletenteam ist gut gegendert. Eine bunte Mischung von 19 Girls und 13 Boys. Darunter sind vier MehrkämpferInnen, die das All-you-can-eat-Menü konsumieren werden. Sogar beim Hammerwerfen der Frauen sind wir vertreten. Diese Disziplin gehört ja in Österreich zum Artenschutzprogramm.

Der Olimpiai Sportpark Györ firmiert nicht unter Stadion. Viele Zuschauer gehen hier nicht hinein. Es ist eher ein Sportplatz. Aber dieser ist gut in Schuss. Acht Bahnen, zwei Hoch- und zwei Stabhochsprunganlagen. Im Innenraum wurlt es bereits heute mit aufwärmenden und auslaufenden Athletinnen und Athleten. Auch einzelne GeherInnen watscheln auf der Laufbahn. Es herrscht gespanntes Wellness-Feeling.

Schon morgen ist für uns Großkampftag. 16 Athletinnen und Athleten werden im Stadion zu sehen sein. Anders als in Russland bei der Fußball-WM kommt man in der Leichtathletik nicht mit Taschenspielertricks weiter. Die Leistungen werden objektiv vermessen. Man kann nicht Zeitschinden oder eine schwere Verletzung vortäuschen. Und Leichtathleten spucken auch nicht dauernd aus.

Die Hoffnungen, Träume und Wünsche unserer Akteure sind vielfältig.

Sebastian Frey wünscht sich im 1.500m-Lauf einen moderaten Rennverlauf: „Wenn es nicht zu schnell wird, kann ich meine Stärke im Endspurt ausspielen.“ Karl Sander, ein Trainer-Routinier, hat die letzten Trainings mit 200-m-Sprints aufgepeppt.
Olivia Raffelsberger wünscht sich für morgen einen Wetterumschwung mit nützlichem Wind. Dann wird Ingeborg Grünwald weit über 6 Meter segeln, sagt sie. Derzeit zeigt der Himmel aber keine Drohgebärden.

Laura Ripfel, die Zweitjüngste im Team, hat im 800m-Lauf im Vorjahr sieben Mal (!) eine 2:12er-Zeit auf die Bahn gebracht. Kompliment. Jetzt hat sie genug von ihrer Beständigkeit und möchte morgen deutlich darunter bleiben. Ingrid Grießel traut ihr das zu.

Johann Saufüssl, Trainer mit jahrelanger Erfahrung, coacht Lotte Luise Seiler über die 2.000m Hindernis. „Das größte Hindernis wird für Lotte das große Läuferfeld sein. Das ist für sie neu. Sie ist in Österreich meist als Solistin unterwegs.“

Clara Baudis wäre am liebsten, wenn es schon heute losgeht. Sie ist voll motiviert. Sie beginnt morgen ihren Tanz im Hammerwurfkreis. Es sind jeweils drei Drehungen mit der Drei-Kilo-Kugel geplant. Gottfried Gassenbauer ist zuversichtlich.

Auch Österreichs neuer Luftakrobat, der Rookie Ben Henkes, wird morgen im Hochsprung sein EM-Debüt geben. Er kann in Socken über 1,90 m springen. Mit Spikes und mit Inga Babakova an seiner Seite geht es noch viel höher.

Für Carina Reicht ist heute ein besonderer Tag. Sie, die am Vortag des Vienna City Marathons mit ihrem Sieg in Wien großes Kino geliefert hat, wird Österreich über 3.000 m vertreten. Das ist aber erst am Freitag. Heute hat sie Geburtstag und dazu gratuliert ihr die ganze Mannschaft. Wir wünschen ihr im weiteren Windkanal des Lebens kräftigen Rückenwind.

Wer mehr über Zeiten und Weiten, Gemütsaufhellungen und Freudentänze unserer U18-Mannschaft erfahren will, kann sich ab morgen auf der ÖLV-Homepage informieren.

Fotos (C) ÖLV

Herbert Winkler | 04.07.2018

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