U20-WM: Innenansichten aus Tampere - Samstag

Auch heute ist ein Prachttag. Der Himmel ist azzurro mit friedlichen Schäfchenwolken. Am Hafen ist ein Flohmarkt aufgebaut, die Restaurantgärten sind voll und auch sonst sind die Finnen in Samstagslaune.

Tampere ist die beliebteste finnische Großstadt bei den Landeskindern. Das einstige „finnische Manchester“ mit gebeutelter Stahlindustrie hat sich zur Kulturfabrik gewandelt. Es gibt in Tampere 20 Museen, etliche Theater und rund 40 Laienbühnen. Es ist hier weder dull, dirty noch dangerous. Ein angenehmes Ambiente für die vielen Sportler, Trainer und Funktionäre, die Tampere bevölkern.

Im Stadion laufen die Bewerbe heute ohne ÖsterreicherInnen weiter. Es ist trotzdem interessant. Zum Beispiel, wie der Gewinner des Hochsprungs, der Grieche Antonios Merlos, sich freut. Seine Siegerposen erinnern an einen turkmenischen Ausdruckstanz. Oder wie erleichtert Dickson Kapandura, der Startläufer der Langstaffel aus Zimbabwe, ist, dass er nach einem Fehlstart nochmals starten darf. Schön ist auch zu sehen, wie sich Abdulrahman Mahmoud aus Ägypten über seinen 30. Platz im 10.000-m-Geherbewerb freut, da er eine persönliche Bestleistung erging. Glück und Euphorie haben viele Gesichter.

Im Record Set findet sich die Tabelle mit den U20-Rekorden, die in Tampere aufgestellt wurden. Sie ist imponierend und umfangreich. Nach 23 von 44 Events gibt es bei den Boys zwei (10.000 m, Zehnkampf) und bei den Girls vier (100 m, 200 m, 800 m, 3000 m H) Championship-Rekorde. Dazu noch 28 nationale Rekorde bei den Burschen und 26 bei den Mädels. Auch Sarah Lagger ist in der Liste. Sie hat mit 6.225 Punkten den österreichischen U20-Rekord verbessert. Im Medaillenspiegel sind wir nach 23 Disziplinen an 19. Stelle. Die Schweiz, Frankreich oder Polen haben bisher nur Bronzemedaillen gesammelt und liegen im Medal Table hinter uns.

Interessant ist auch, wie der Stadionansager mit den Zungenbrecher-Namen Shyamali Kumarasingh oder Leon Tafirenyika verfährt. Er kürzt sie auf einzelne Mitlaute ab, was phonetisch dann alles heißen kann. Na gut, beim Namen Stefan Schmid kommt es morgen nicht zum Sprechstolperer. Der Ansager hat den Vorteil einer seifigen Namensnennung, wenn er Stefan zum Finale des Hindernislaufes begrüßen wird.

Stefan blickt dem Sonntag mit Spannung entgegen. Er freut sich, dass er nach einer Phase von Verletzungen wieder rechtzeitig in Form gekommen ist und hofft, dass es morgen kein Bummellauf wird. Dann traut er sich zu, unter neun Minuten zu bleiben. Das wäre dann eine superlativwürdige Leistung, die mehr als einen Dreizeiler wert sein wird.

Am Vormittag trifft sich das Team zum Fotoshooting. Die Freude über die Silberne von Sarah Lagger ist noch immer spürbar. Sie wurde gestern von der Mannschaft gefeiert. Sarah ist auch bei den Journalisten eine geachtete und gelobte Athletin. Und das nicht nur wegen ihrer Erfolge. Man schätzt ihre Fairness gegenüber den Konkurrentinnen und ihr natürliches und freundliches Wesen. Das ist für Journalisten angenehm, wenn sie jemanden in der mixed zone interviewen.

Natürlich wird im Team auch über vergebene Chancen gesprochen. Dabei geht es um Hätti, Wari, Wäri. Das Hadern mit dem Schicksal findet sich in den entlegensten Ecken jedes Menschen. Natürlich waren es im Wettkampf oft nur Kleinigkeiten und auch Pech, die ein besseres Abschneiden verhindert haben. Zum Trost sei gesagt, dass das für alle gilt. Auch für jene, die hinter einem selbst geblieben sind.

Thomas Neuhauser, der Trainer und Vater von Riccardo Klotz, analysiert das arschknappe Abschneiden von Riccardo beim Stabhochsprung-Vorkampf heute schon lässiger. Er war selbst einmal hochtalentierter Schifahrer und sieht die Entwicklung von Riccardo als Prozess. Besonders fällt auf, dass Riccardo jetzt mit mehr Selbstsicherheit und gelöster in die Wettkämpfe geht. Das wird das Kerosin für die weitere Karriere sein.

Die Bronzemedaillengewinnerin von Györ, Chiara Schuler, freut sich schon wieder auf zu Hause. Sie wird heuer noch bei der U20-Meisterschaft starten. Wahrscheinlich in Hürden, Weit und Speer. Dort trifft sie dann Andrea Obetzhofer wieder. Auch sie denkt, dass sie bei den U20 im Speerwurf und Kugelstoßen starten wird. Das wird noch mit den Trainern zu besprechen sein.

Noch ist es nicht soweit. Morgen gilt es vorerst, Stefan Schmid anzufeuern.

Fotos: Getty Images for IAAF (2), Georg Franschitz (1)

Herbert Winkler | 14.07.2018

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